Zeitgenössische Meisterwerke auf der Leipziger Messe
Auf dem Freigelände und in den Gebäuden der Leipziger Messe entdecken Sie hochkarätige zeitgenössische Kunstwerke. Unter anderem befinden sich hier Werke namhafter Künstler wie Isa Genzken, Martin Kippenberger oder Sol LeWitt.
Bereits vor der Glashalle begrüßt die monumentale "Rose" von Genzken die Besucher. Bei einem Spaziergang über das Messegelände begegnen Sie einer Vielzahl an weiteren spannenden Werken und erleben die Messe als atmosphärischen Ort für Geschäftsbegegnungen, die Messealltag mit Messeerleben verbinden. Auch im Eingangsbereich der Glashalle, in den Verbindungsröhren zwischen den Messehallen und in den Hallen selbst treffen Sie immer wieder auf Installationen, subtile Textarbeiten und Wandmalereien.
Projekt "Kunst in der Leipziger Messe"
Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt gestalteten die Leipziger Messe mit. Eigens für das 1996 eröffnete neue Messegelände entwickelten sie ihre Konzepte für Wandmalereien, Installationen sowie zur Gestaltung von Funktionsbereichen. Bereits während der Bauphase waren sie eingeladen, sich auf dem Gelände geeignete Plätze für ihre Arbeiten auszusuchen. Das Projekt "Kunst in der Leipziger Messe" wurde kuratiert von Brigitte Oetker, Christiane Schneider und Mechthild von Dannenberg.
Angela Bulloch (1966): Belisha Beacon Indicator System
Lampeninstallation, Verbindungsröhren zwischen Glashalle und Eingangshalle Ost sowie zu den Hallen 4 und 5
Angela Bulloch beschäftigt sich mit der Organisation und den Regelwerken menschlichen Zusammenlebens. Für ihre Lichtinstallationen verwendet sie "Belisha beacons" – Lichtsignale, die in England Fußgängerüberwege markieren. Damit übernimmt sie ein Element aus dem Straßenverkehr, einem allgegenwärtigen Ordnungs- und Vorschriftensystem. In ihrer Leipziger Arbeit werden diese Lichtsignale mit Bewegungsmeldern versehen. Die Bewegungsströme der Messebesucher werden zu einem Bestandteil der Installation: Jeder einzelne gestaltet sie aktiv mit, indem er die Lichtreaktion auslöst – die Passanten sind also Teil einer Ordnung, auf die sie selbst Einfluss haben.
Daniel Buren (1938): Das Auf und Ab der Farbe
Rolltreppen, Glashalle und Congress Center Leipzig
Daniel Buren arbeitet mit vertikalen Streifen, 8,7 cm breit, mit denen er einen Ort "zeichnet". Er trennt nicht zwischen Ort und Arbeit, da die Arbeit nur im und durch den Bezug zum Raum realisiert wird. Dieses Zusammenwirken von Streifen und Ort nennt er Arbeit "in situ". Seine Entscheidung für die Streifen traf er 1968 als radikale Absage an die traditionelle Malerei und an den Begriff der Autonomie des Kunstwerks. Seine Markierungen sind oft – wie hier in Leipzig – kleine Eingriffe in den umgebenden Raum. In Leipzig hat Buren 31 von circa 70 Stufen je Rolltreppe mit roten und weißen Streifen versehen. Die Markierung ist minimal im Verhältnis zu den Dimensionen der großen Glashalle, des Congress Centers Leipzig sowie auch der Eingangshalle Ost. Durch die Bewegung – das Auftauchen und Verschwinden der Farben – fällt die Arbeit dennoch ins Auge. Die durch Buren gestalteten Rolltreppen schaffen so eine Verbindung zwischen den einzelnen Orten.
Stanislaw Drózdz (1939 - 2009): odtad - dotad (Wohin - Woher)
Textarbeit, Foyer Messehalle 1
Ausgangspunkt der Werke von Stanislaw Drózdz sind kurze Texte oder Wörter. Sie werden zu Bildern, indem ihre semantische Bedeutung zum Beispiel durch Anordnung im Raum zunächst vernichtet wird, um so neu zu entstehen. Über 80 Meter Länge erstreckt sich Drózdz’ Textarbeit für die Leipziger Messe. In schwarzer Farbe sind die polnischen Worte "odtat" und "dotad" auf die weiße Wand gemalt. Die Anordnung kennt keinen strengen Rhythmus, stellt eine lockere Reihung an der Foyerwand dar.
Peter Fischli (1952) und David Weiss (1946 - 2012): Landschaft
Betonarbeit, Endhaltestelle Linie 16
Seit den ersten gemeinsamen Arbeiten 1979 haben sich Peter Fischli und David Weiss mit Maßstab und Wahrnehmung, Ordnungen, Normen und Hierarchien befasst. Ihre für das Leipziger Messegelände geschaffene, 210 x 320 Zentimeter große Betonlandschaft wirkt wie ein Zufallsprodukt, wie von Erosion zerfressener Bauabfall oder – wie Peter Fischli es nennt – der Ort für eine "Pfütze". Verändert der Betrachter aber seine Perspektive, stellt seine Optik auf "Feineinstellung" und lässt seine Phantasie spielen, kann sich das Bild verändern: Furchen werden zu Tälern, Auswürfe zu Bergrücken und die Pfütze wird zum See. Moos setzt an, Kleinlebewesen erobern den neuen Lebensraum und die Witterung lässt einen eigenen Mikrokosmos entstehen.
Günther Förg (1952): Wandmalerei
Atrium des Messehauses
Günther Förg arbeitet mit unterschiedlichen Medien: Fotografie, Malerei, Skulpturen, Zeichnungen, Wandmalereien, die er oft zu komplexen Rauminstallationen zusammenfasst. Er beschäftigt sich mit Architektur und ihren Strukturen. Diese Auseinandersetzung findet meist in Serien statt, in denen er ein Thema eher umkreist als endgültig abschließt. Seine ortsspezifischen Wandmalereien bestehen aus monochromen Farbflächen, die sich auf die Dimensionen des jeweiligen Raums beziehen und einen Dialog zur Umgebung herstellen sollen. Bei der Leipziger Arbeit wird die Wand in zwei Hälften geteilt. Auf acht Felder werden vier Farben aufgetragen. Durch die individuelle Pinselführung entsteht eine malerische Qualität, die in der Architektur Orientierungspunkte bildet und sie zum unverwechselbaren Ort macht.
Isa Genzken (1948): Rose
Glashalle, Eingang West
"Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose." Der vielzitierte Ausspruch der amerikanischen Schriftstellerin Gertrude Stein verweist auf die Bedeutungsvielfalt der Rose als Symbol für Liebe, Schmerz und Vergänglichkeit. Aus der Nähe betrachtet, entfaltet die überdimensionale Metallrose von Isa Genzken einen naturalistisch-skulpturalen Charakter und erscheint riesig, fast bedrohlich. Mit metallfarbenem Stängel unter der blutroten Blüte irritiert sie in ihrer Künstlichkeit. Durch ihre Position in der Mitte der symmetrisch inszenierten Perspektive der Glas- und Stahlarchitektur setzt sie als leuchtender Farbtupfer einen Kontrapunkt und karikiert in ihrer Übergröße gleichzeitig die Monumentalität der Glashalle.
Dan Graham (1942): Messe Leipzig Structure
Gläserner Pavillon, Pocketpark
Ein bestimmendes Thema im Werk Dan Grahams ist die Wechselwirkung der Einflüsse von Gesellschaft und Architektur. Seit den 1970er-Jahren konstruiert er für spezielle Orte Pavillons aus Einwegspiegelglas, die das Formenrepertoire städtischer Architektur aufnehmen und widerspiegeln sowie auf einfachen geometrischen Formen wie Kreis, Oval, Rechteck und Dreieck beruhen. Da Einwegspiegelglas von innen wie außen gleichermaßen reflektierend und durchsichtig ist, sieht der Betrachter sich und zugleich andere, die wiederum ihn und sich selbst wahrnehmen. Hinzu kommen sich ändernde Eindrücke durch wechselnde Wetterbedingungen, unterschiedlichen Lichteinfall und geänderte Blickwinkel. Der Einweg-Spiegelfläche-Pavillon auf der Freifläche zwischen West- und Osthalle gibt entsprechend der Lichtverhältnisse die Sicht auf sein Inneres frei oder sperrt sich Blicken von außen. Graham sieht seine Pavillons gleichsam als ästhetische Objekte sowie Orte für soziale Kontakte, die in der Benutzung und Erfahrung des Betrachters erst ihren Sinn erfüllen.
Martin Kippenberger (1953 - 1997): Metro Net
U-Bahn-Station für ein imaginäres globales U-Bahn-Netz, Messepark
Das Spiel mit Fiktion und Realität – die Realisierung von Absurditäten und hintergründiges Infragestellen des Realen – kennzeichnet das Werk Martin Kippenbergers. Die U-Bahn-Station auf dem Gelände der Leipziger Messe ist weder geschlossen noch wirklich in Betrieb. Sie ist Bestandteil eines imaginären U-Bahn-Systems, das der Künstler im Projekt "Metro Net" global angelegt hat. Weitere solcher Eingänge, die im Untergrund enden und nirgendwohin führen, existieren in Dawson City (Kanada) und auf der Insel Syros (Griechenland). Abluftschächte, die ebenfalls Teil dieses U-Bahn-Systems sind, gibt es in Tokio und in St. Georgen im Schwarzwald. "Metro Net" richtet sich an Gedankenreisende – daran denken heißt, schon unterwegs zu sein.
Sol LeWitt (1928 - 2007): Wall drawing # 516
Wandmalerei, Congress Center Leipzig
Seit den 1960er Jahren reduzierte Sol LeWitt seine gestalterische Sprache auf stereometrische Grundformen, benutzt die Grundfarben Rot, Gelb, Blau und dazu Schwarz. Mit diesen einfachen Mitteln entwirft er serielle Regelsysteme mit kalkulierten Abwandlungen – wobei die Unterschiede zwischen den einzelnen Teilen das Thema der Komposition bilden. Die auf den Außenwänden der Kongresssäle im Congress Center Leipzig realisierte Arbeit zählt zu den Wall drawings, die neben den Skulpturen eine wichtige Stellung im Werk des Künstlers einnehmen. Sie zeigt in aneinander gereihten quadratischen Feldern jeweils eine pyramidale Grundform (Flat-Top-Pyramid), in deren einzelne Felder je drei Schichten der Grundfarben aufgetragen sind. Die Wiederholung des gleichen Motivs wird von einer großen Variationsbreite der Farben begleitet. Die serielle Malerei - ein wesentliches Prinzip der Minimalistischen Kunst, deren Hauptvertreter Sol LeWitt ist - propagierte eine Abkehr vom einmaligen Kunstwerk und hebt Hierarchien auf. Wichtig ist der gedankliche Prozess, nicht die Ausführung, die er daher anderen überlässt.
Thomas Locher (1956): Angebot und Nachfrage
Textarbeit, Atrium des Messehauses
Thomas Locher untersucht Sprache als Ordnungssystem zwischenmenschlicher Beziehungen. Seine Texte aus kurzen Sätzen, die grammatikalischen Regeln genau folgen, sollen anscheinend nichts über die Aussage hinaus bedeuten – Aussagen an sich, welche durch die Installation hervorgehoben und analysiert werden. Lochers Leipziger Arbeit thematisiert die Grundprinzipien des Handels und bezieht sich auf das Selbstverständnis der Messe als Umschlagplatz von Waren und Gütern. Sein Text ist in fünf Blöcke gegliedert. Einzeilig aneinandergereihte Statements, in schwarzen Folienbuchstaben auf Glas, beschreiben Situationen zwischen Geben und Erhalten, Begehren und Ablehnung in verschiedenen Variationen – ernst und ironisch, real und absurd zugleich. Ein Dialog findet statt zwischen dem imaginären "ich" und einem Gegenüber.
Olaf Nicolai (1962): Pflanze / Konstrukt
Terrazzo-Bodenarbeit, Glashalle
Olaf Nicolai befasst sich unter anderem mit Ordnungsprinzipien wie dem Sammeln als Form des Bewahrens und Tradierens oder Gartenanlagen (hortus) als Orten des Wissens und der Kultivierung von physis (Pflanze) und meta-physis (Ordnung). Er verweist auf das 19. Jahrhundert, in dem Naturwissenschaften und Kunst noch nicht streng getrennt waren. Ein Denken, welches im Zusammenhang mit der Vernetzung unterschiedlicher Bereiche und Erkenntnisformen wieder an Aktualität gewinnt. Seine Arbeit auf dem Leipziger Messegelände thematisiert Natur als Konstrukt. Grundlage ist ein Scherenschnitt, der eine stilisierte Ranke zeigt. Auf der Mittelachse der Glashalle wird daraus ein Flächenornament, als Terrazzoarbeit in den Boden eingebracht. Damit bezieht sich Nicolai ebenso auf die umgebende Architektur, greift ihre Anspielung auf frühe Glaspaläste und Gewächshäuser in England auf.
Hanno Otten (1954): Farbenlehre
Farbfeldarbeit, Congress Center Leipzig
Hanno Otten setzt sich mit dem Phänomen Farbe in künstlerischer und wissenschaftlicher Dimension auseinander. Ihn interessieren Modelle und Theorien, die seit Newton und Goethe Farben nach unterschiedlichen Kriterien systematisieren, ebenso wie aktuelle Bedeutungen und Beziehungen von Farben in den Wissenschaftsbereichen und im Alltag. Seine sieben nebeneinander angeordneten quadratischen Tafeln im Congress Center Leipzig zeigen eine zeitgenössische Bestandsaufnahme von Farben. Diese wurden mittels fototechnischem Verfahren aus dem Licht gefiltert und auf lichtempfindlichem Ilfochrom visualisiert. Die verwendete Technik setzt einen Bezug zur Farberzeugung in den elektronischen Medien, welche die Farben des Lebensumfelds zunehmend bestimmen. Die Arbeit thematisiert ebenfalls das Ineinandergreifen von technisch-objektiven und subjektiven Farbsetzungen. Sie veranschaulicht, dass die Farben der modernen Bildmedien in ihren dissonanten Kombinationen und grellen Kontrasten von der Mode aufgegriffen und in den Alltag transportiert werden. Das Bewusstsein von Farbe und das damit verbundene Harmonieverständnis erweisen sich als zeitbedingt und veränderlich.
Jorge Pardo (1963): Gestaltung der International Business Lounge
Glashalle
Jorge Pardo erweitert den Kunstbegriff, indem er die Grenze zwischen angewandter und freier Kunst aufhebt sowie Architektur und Design in seine Arbeit einbezieht. Entwirft oder verändert er Gebrauchsgegenstände, interessieren ihn Funktion, Form und Farbe als gestalterische Grundlagen unserer Umgebung. In Anspielungen oder Zitaten setzt er sich zugleich kritisch mit der Moderne auseinander. Bei seinen Objekten ist in erster Linie ihre Beziehung untereinander wichtig sowie die Situation, welche sie für den Betrachter beziehungsweise Benutzer schaffen. Die Einrichtung der International Business Lounge in der Glashalle ließ Jorge Pardo nach seinen Entwürfen fertigen. Darauf abgestimmt wurden die Wände gestrichen.
Rirkrit Tiravanija, (1961): Flipper Wall for Palermo
Ensemble von 1,40 Meter hohen, ochsenblutrot gestrichenen Wänden, Messepark
Rirkrit Tiravanijas "Flipper Wall for Palermo" erinnert an seinen in Leipzig geborenen Künstlerkollegen Blinky Palermo (1943 bis 1977). Im Maßstab 1:2 ließ er eine berühmte Arbeit Palermos wiedererrichten: Palermo hatte 1973 die Trennwände des Hamburger Kunstvereins ochsenblutfarben gestrichen und den Kunstort selbst zur Kunst erklärt. Tiravanija versteht den Kunstraum als sozialen und kulturellen Raum. Seine Beiträge zu Ausstellungen in Galerien und Museen bestehen oft aus Einladungen zum Essen im Kunstraum, bei denen er für die Gäste kocht, oder aus Arrangements von Möbeln und Gebrauchsgegenständen, welche die Besucher benutzen können, um dabei ins Gespräch zu kommen. In Leipzig hat er eine Art Denkmal für Blinky Palermo sowie zugleich einen Ort der Kommunikation und des Erlebens geschaffen. Tiravanija wünscht sich, dass seine Arbeit in Gebrauch genommen wird – von Kindern oder Schulklassen, die seine Wände zum Beispiel als Spielobjekte in Besitz nehmen sollen. Nach dem Motto: "Lebendig wird etwas erst dadurch, dass die Leute es anfassen und benutzen."
Niele Toroni (1937): Pinselabdrücke Nr. 50 in regelmäßigen Abständen von 30 cm
Wandmalerei, Messeclub Messehaus und Congress Center Leipzig
Ende der 1960er-Jahre revoltierte Niele Toroni gemeinsam mit Künstlerkollegen – darunter Daniel Buren – gegen die "Salonmalerei" und ihren Repräsentationsanspruch. Er reduzierte seine Arbeit auf eine malerische Geste, die sich wiederholt – und vermeidet jeglichen Inhalt, jegliche Hierarchie. Jeder Pinselabdruck steht für sich und für nichts anderes. Aus den gleichförmigen Abdrücken entsteht in kalkulierter Entscheidung ein Bild. Toroni nutzt meist die Grundfarben, seltener Mischungen wie zum Beispiel Orange oder Grün. Neu ist bei jeder Arbeit das Verhältnis von Abdruck, Untergrund, Architektur.